Ein Katastrophenfall trifft ein und schon werden sie gebraucht: Intelligente Rettungsroboter ermöglichen Einsatzkräften in sicherer Entfernung die Situation zu analysieren und mit Hilfe mobiler Robotermanipulatoren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einzuleiten.
Genau solche Szenarien spiegelt die Rescue Robot League bei den RoboCup German Open 2024 im Bereich Major, also im Wettbewerb zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, wider.
Ziel des Wettbewerbs ist es auch, das Bewusstsein für die Herausforderungen bei Such- und Rettungseinsätzen zu schärfen, eine objektive Bewertung von Roboterentwicklungen in repräsentativen Umgebungen zu ermöglichen und die Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Herstellern und Anwendenden zu fördern. Die Roboter müssen dabei ihre Fähigkeiten in den Bereichen Mobilität, sensorische Wahrnehmung, Fernhantierung, Planung, Kartierung und praktische Bedienerschnittstellen unter Beweis stellen, während sie in unstrukturierten Umgebungen nach relevanten Objekten, z. B. nach simulierten Opfern, suchen oder beispielhafte Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einleiten, z. B. das Schließen von Ventilen.
Das Besondere der Rescue Robot League (RRL) liegt vor allem in den Anforderungen an die Roboter in den Bereichen Mobilität im unstrukturierten Gelände, Geschicklichkeit in der Handhabung von Gegenständen und Autonomie – eine Kombination, die so nur in dieser Liga zu finden ist. Die RRL hat einerseits eine niedrige Einstiegshürde, d. h. man kann schon mit einem ferngesteuerten System und einer Kamerabildübertragung teilnehmen. Der wissenschaftliche Tiefgang ist andererseits sehr groß, sobald Teile der wichtigen Funktionen in der Wahrnehmung, Fortbewegung und Fernhantierung autonom durchgeführt werden. Zielsetzung dieser Liga ist die Entwicklung eines intelligenten Robotersystems mit autonomen Assistenzfunktionen wie optimaler Geländegängigkeit, das in Katastrophenszenarien zuverlässig eingesetzt werden kann, um Leben zu retten.
Die Leitung der Liga in Deutschland teilen sich Prof. Dr. Stefan May und Dr. Johannes Pellenz. Stefan May ist Professor an der Technischen Hochschule Nürnberg und betreut dort selbst RoboCup-Teams: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Teilnahme nicht nur die Forschung voranbringt, sondern auch ein ideales Lehrprojekt darstellt (forschendes Lernen). Es ist mir eine Freude, junge Menschen für diesen spannenden Wettbewerb zu begeistern und sie dann vor Ort zu unterstützen.“
Dr. Johannes Pellenz ist verantwortlich für den Bereich Unbemannte Landsysteme beim BAAINBw in Koblenz und hat selbst jahrelang bei RoboCup-Rescue mit einem Studierendenteam als Teilnehmer mitgemacht. „Ich fand die Veranstaltung hervorragend geeignet, um Softwaretechnik im universitären Kontext zu lehren. Daher unterstütze ich die Veranstaltung gerne weiterhin, um dem wissenschaftlichen Nachwuchs auch in Zukunft diese außergewöhnliche Lernmöglichkeit zu geben.“
Bei den RoboCup German Open 2024 können sich die Besucher*innen und Besucher besonders auf die unterschiedlichen Fortbewegungskonzepte der Rettungsroboter freuen. Die teilnehmenden Teams entwickeln verschiedene Ansätze, um Hindernisse zu überwinden. Mit radgetriebenen Robotern, kettengetriebenen Robotern oder Laufmaschinen werden die Herausforderungen mit unterschiedlichen Strategien gemeistert. Die Teams haben dabei ganz unterschiedliche Erfahrungsschätze. Während etablierte Teams auf einem hohen Niveau Aufgaben autonom lösen, gibt es auch Einsteigerteams, die neue Impulse setzen. So hat sich z. B. ein Team einer Schule, des Christoph-Jacob-Treu-Gymnasiums in Lauf an der Pegnitz, qualifiziert, was eine Seltenheit darstellt.Erneut an den Start gehen wird auch das sehr erfahrene und erfolgreiche Team Hector der TU Darmstadt. Team Hector ist seit 2009 in der Liga aktiv und hat u. a. 2011 mit Hector SLAM eine der am weitesten verbreiteten Open Source Algorithmen zur simultanen Kartierung und Lokalisierung aus der Liga heraus veröffentlicht und an weiteren Wettbewerben außerhalb des RoboCup erfolgreich teilgenommen und diese gewonnen, z. B. ARGOS Challenge, World Robot Summit, ENRICH. Auch wurde aus dem Team ein erfolgreiches Startup, Energy Robotics, ausgegründet.
„Die RoboCup Rescue-Liga bietet mit ihrer unstrukturierten Umgebung und den herausfordernden Aufgaben ein realistisches Umfeld für das Testen von Erkundungs- und Einsatzrobotern. Erfolgreiche Teams benötigen Kompetenzen nicht nur im Bereich Mechanik und Elektronik, sondern auch im Bereich Softwaretechnik. Um hier erfolgreich zu sein, braucht es daher starke Teamarbeit. Die Liga bietet damit ein optimales Lernfeld nicht nur für die einzelnen Forschungsdisziplinen, sondern auch im Bereich der Softskills“, betont Dr. Johannes Pellenz.
Der Ursprung der Wettbewerbe mit Robotersystemen im Rettungswesen geht auf das Jahr 2000 zurück. Um unter dem Eindruck der verheerenden Folgen vorangegangener Erdbeben die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Rettungsrobotik zu fördern, wurde 2000 im Rahmen der AAAI Mobile Robot Competition and Exhibition in Austin (Texas, USA) zum ersten Mal ein Wettbewerb für Rettungsroboter veranstaltet. AAAI steht dabei für Association for the Advancement of Artificial Intelligence, also die Vereinigung zur Weiterentwicklung Künstlicher Intelligenz. Ab 2001 wurde der Wettbewerb für diese Robotertypen im Rahmen des jährlichen internationalen RoboCup-Wettbewerbs als RoboCup-Rescue fest integriert. Bei den RoboCup German Open wird die Rescue Robot League mit realen Robotern ausgetragen. Die komplexe Arena der Liga wird vom Deutschen Rettungsrobotik-Zentrum (DRZ) bereitgestellt.